Der Skandal, der keiner war

Der Medien-Erfolg von Wikileaks scheint zum Nachahmen anzuregen: seit einigen Tagen twittert Sascha Pallenberg, der Betreiber von netbooknews.de, dass ein „ultimativer Tsunami“ über die deutsche Blogsphäre hereinbrechen werde. Ein „Schleichwerbenetzwerk“ kaufe Links in Blogs zur Manipulation der Google-Ergebnisse. Wer sich bereits etwas länger mit SEO beschäftigt, wird sich nun fragen: ja und weiter? Der Kauf von Links zur Verbesserung des Rankings ist so alt, wie Google selber. Die Taktrate, mit der Google auf diese Bedrohung reagiert, hat sich in den letzten Jahren etwas erhöht, grundlegende Änderungen gab es allerdings nicht.

Pallenberg hat nun offenbar Unterlagen von einem Netzwerk, das den Linkeinkauf für Kunden organisiert. Davon gibt es eine ganze Reihe: einige davon wie TLA oder Teliad machen das eher öffentlich, andere sparen sich diese Öffentlichkeit und verkaufen ihre Dienstleistung durch Empfehlungen. Allen gemein ist, dass sie ein legitimes Geschäft betreiben, das Google zwar nicht gefällt, aber keinerlei Gesetze verletzt. Das Geschäft läuft so ab, dass Blogger und Webseitenbetreiber angeschrieben werden und sie für das Setzen eines Links (meist mit vorher definiertem Linktext) einen gewissen Betrag erhalten. Das kann dann beispielsweise wie hier aussehen. In diesem Beispiel wäre „Netbooks“ das Keyword. Da diese Informationen aber für einen Skandal nicht ausreichen, wird das ominöse Schleichwerbenetzwerk konstruiert – mit einem Schönheitsfehler: die Autoren/Blogger sind in ihrer Textwahl komplett freigestellt, sie können schreiben, was sie wollen, müssen nur den Link unterbringen. Ebenfalls argerlich bei der Sache: ein von Meedia in der Angelegenheit befragter Anwalt vertritt die Meinung, dass das Vorgehen durchaus legal sei.

Etwas irritiert mich bei der Angelegenheit die Hybris, mit der sich der junge Assange über andere Blogbetreiber stellt. Gerade, wenn man sich etwas genauer anschaut, wie er selber für Linkwachstum auf seinen Projekten sorgt. Bei seinem Gewinnspiel nimmt man beispielsweise teil, wenn man aus einem Blog einen Link auf Netbooknews.de setzt – in der Vergangenheit gab es bereits ausreichend Fälle, in denen Google das als Verstoß gegen die Webmaster-Richtlinien sah‘ und die betreffende Domain auf die hinteren Plätze verwies. Ein keyword-gespickter Text in Hintergrundfarbe am Seitenende mag da vielleicht den Ausschlag geben. Warten wir also auf den nächsten Sturm im Wasserglas.

Update: in den letzten 2 Tagen hat sich die reißerisch „Bloggergate“ genannte Sache entwickelt: sowohl Heise als auch Spiegel Online haben berichtet, zahlreiche Blogs beteiligen sich an der Diskussion und der Auslöser stellt einige Sachen richtig. Im Rückblick glaube ich, dass der angebliche Skandal auf einem Missverständnis beruht. Die Aufregung zielt primär darauf ab, dass Werbekunden Blogger dafür bezahlen, ihre Produkte und Angebote in einem positiven Licht erscheinen zu lassen, folglich wird auch häufig von Schleichwerbung gesprochen. Und genau hier liegt das Missverständnis vor: den Werbekunden ist der Inhalt der Blogpostings egal, sie kaufen lediglich einen Link innerhalb des Textes. Damit ist keine positive Hervorhebung der Marke oder des Produktes verbunden – das steht so übrigens auch in dem mittlerweile veröffentlichen Vertrag („Der Site-Betreiber ist bei der Ausgestaltung seiner Postings nach wie vor vollkommen frei.“). Der konkrete Ablauf war offenbar so: es gibt eine Liste mit Begriffen und URLs, die mit diesem Begriff verlinkt werden sollen. Wenn ein Blogger, der an dem Netzwerk teilnimmt nun ein neues Posting schreibt, in dem einer dieser Begriffe vorkommt, verlinkt er die vorgegebene URL und erhält ab diesem Zeitpunkt für den Link jeden Monat Geld. Eine Einflussnahme auf die Inhalte findet hierbei nicht statt – und genau das ist glaube ich der Punkt, der häufig nicht klar genug herausgestellt wurde.

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