Gerüchte und Halbwahrheiten um die Bewertung verschiedener Faktoren durch Suchmaschinen sind genauso alt, wie die Suchmaschinenoptimierung selber. Irgendwann und irgendwo mal in die Welt gesetzt, halten sie sich ähnlich wie urbane Legenden gerne über einen längeren Zeitraum. So selten, wie Astronomen eine große Supernova live beobachten können, gelingt uns dieses für die Entstehung von SEO-Gerüchten. Aber heute, werte Leser, haben Sie die unglaubliche Chance, Zeuge so einer Geburt zu sein, treten Sie näher – nicht so schüchtern – und staunen Sie.
Die Herrschaften von „Google Operating System“, einem Blog, das sich mit allerlei Tipps und Vermutungen rund um Google beschäftigt, haben festgestellt, dass das Silvester-Doodle als kleine Überraschung einen Hinweis auf die Einführung von TCP/IP, einer der Internetgrundlagen, vor 25 Jahren enthielt und zeigen an der mit dem Logo verlinkten Googlesuche zu „January 1 TCP/IP“ ein schon länger bestehendes Problem auf. Während Google das Ranking üblicherweise hauptsächlich auf Backlinks aufbaut, ist dies bei Seiten, die erst wenige Minuten alt sind, naturgemäß nicht möglich. Google scheint sich also entschlossen zu haben, in einigen wenigen bestimmten Fällen neue Seiten besser zu ranken als alte. Dies tritt dann auf, wenn eine Suchabfrage, die ansonsten sehr wenig Traffic hat, auf einmal einen deutlichen Anstieg verzeichnen kann – Google geht dann davon aus, dass es sich um eine wichtige Newsmeldung handeln muss und zeigt folglich aktuelle Treffer an. Um dies zu demonstrieren, hat „Google Operating System“ eben dieses verlinkte Google-Logo genommen. Soweit alles nachvollziehbar und seit einigen Monaten Realität aber eben nur für eine sehr begrenzte Anzahl an Keywords überhaupt zutreffend.
Kurz später wurde TechCrunch, ein bekanntes US-WebX.0-Blog, darauf aufmerksam und verkürzte die Aussage des Orginalbeitrages dahingehend, dass Google seinen Algorithmus ändere. Das ist, wie im letzten Absatz beschrieben aus zwei Gründen falsch: Einerseits fand diese Änderung bereits vor einigen Monaten statt und zum anderen sind davon nur wenige Suchanfragen betroffen, bei denen die Anzahl der Suchen stark variiert. Einen Tag später, also heute, scheinen jetzt auch die deutschsprachigen Redaktionen ihren Silvesterkater überstanden zu haben und nahmen das Thema dankenswert auf: was TechCrunch schreibt, muss schließlich richtig sein. Zuerst verbreitete die Computerwoche unter dem Titel „Google ändert seine Suchkriterien“ den Unsinn in Deutschland weiter, kurz danach übernahm die PC-Welt den Beitrag offenbar ungeprüft. Ich bin gespannt, welche Qualitätsjournalisten noch auf den Zug aufspringen – aber was will man von den Klowänden des Internet schon erwarten …
[Update 04.01.] Die Internet World Business sowie weitere „Experten“ schreiben den Unsinn weiterhin umgeprüft ab und verbreiten das Gerücht somit. Ein Fleißsternchen gibt es für Golem – auch, wenn sie mit der Abschaffung des Supplemental Index ein paar Wochen zu spät dran sind, haben sie das mit dem „QDF“ immerhin korrekt wiedergegeben.