Heute stolperte ich wieder über einige SEO-Beiträge und Diskussionen zum Thema Content Marketing. Ehrlich gesagt, verstehe ich die Diskussionen überhaupt nicht. Content war schon immer die Grundlage für einen langfristig erfolgreichen Publisher. Das galt wahrscheinlich schon für die Höhlenmalereien und wissenschaftlich besser erforscht auf jeden Fall für die Medien Bücher, Zeitschriften, Zeitungen, Radio und TV.
Um die Entwicklung zu verstehen, muss man sich zwei Phänomene bewusst machen, welche die noch relativ junge Internet-Wirtschaft hervorbringt:
Phänomen 1: Suchmaschinen haben temporäre Unzulänglichkeiten guten Content zu erkennen
Suchmaschinen inklusive Google besitzen temporäre Unzulänglichkeiten guten Content von schlechtem Content zu unterschieden und haben in der Vergangenheit suchmaschinenoptimierten Websites unabhängig von deren Qualität viel Traffic zugeführt. Das führt zu dem Irrtum, dass man langfristig auch mit schlechtem Content Erfolg haben könnte. Die Unzulänglichkeiten von Google nehmen jedoch im Zeitablauf ab und werden diese Phase des Internets nach und nach beenden. Wer langfristig bei Google erfolgreich sein möchte, der sollte die Ziele von Google zu seinen eigenen Zielen machen.
Das Ziel von Google ist es, die besten Antworten auf Suchanfragen auf den oberen Plätzen anzuzeigen. Daher kann die langfristig erfolgreichste SEO-Strategie eigentlich nur lauten, dass man die besten Antworten liefert. Dann wird einem potentiell jede Verbesserung des Google-Algorithmus in die Karten spielen. Für eine Übergangsphase muss man vielleicht nicht die beste Antwort liefern, aber zumindest sollte die Qualität der eigenen Treffer wettbewerbsfähig sein. Anhand von Nutzersignalen und weiterer Signale gelingt es Google immer besser die Qualität einer Website zu bestimmen.
Phänomen 2: Websitebetreiber denken nicht wie Publisher
Die meisten Unternehmenswebsites sehen heute noch aus wie ein langweiliger Unternehmensprospekt oder eine Werbeanzeige. Die positive Darstellung des eigenen Unternehmens mit seinen Produkten steht allzu deutlich im Mittelpunkt und ist oft der einzige Inhalt.
Viele Websitebetreiber denken nicht wie ein Publisher. Als Websitebetreiber ist man jedoch ein Publisher. Vielen Unternehmen fällt es augenscheinlich schwer diese Rolle anzunehmen. In der Vergangenheit konnten sie bei anderen Publisher einfach Werbeplätze einkaufen, um ihre Botschaften zu verbreiten. Die Publisher haben sich hingegen mit ihren redaktionellen Contents um die Beliebtheit und Reichweite ihrer Publikation gekümmert. Dafür wurden sie von den Anzeigenkunden bezahlt.
Mit einer eigenen Website wird ein Unternehmen selbst zum Publisher und muss sich um die Attraktivität seiner Publikation kümmern. Eine Publikation, die nur aus Anzeigen für das eigene Unternehmen besteht, wird kaum empfohlen, erhält nur wenige Links und erzeugt keine guten Nutzersignale. Man stelle sich nur einmal eine SPIEGEL-Ausgabe vor, die nur die Seiten mit den Anzeigen enthält, nicht aber die Seiten mit dem redaktionellen Content. Diese Ausgabe dürfte auf eine geringe Nachfrage stoßen und selten empfohlen werden. Die meisten Unternehmenswebsites wirken aber genau so.
Offline haben das die Unternehmen schon viel besser verstanden und offerieren seit Jahrzehnten in ihren Geschäften nicht nur austauschbare Produkte in langweiligen Regalen, sondern bieten einen „Erlebniskauf“ an. Da gibt es z.B. in Schuhgeschäften Karussells für Kinder, kostenlose Getränke oder auch das gute alte Lurchi-Heft. Und auch der Autohändler lockt mit Schnittchen, Musik und Sekt zur fröhlichen Reifenwechsel-Party. Man könnte diese Dinge auch als Offline-Linkbait bezeichnen.
Wenn man als einziger Anbieter Produkte im Sortiment hat, die vielen haben wollen, oder Preisführer wie z.B. Aldi ist, kann man auf diesen „Schnickschnack“ vielleicht auch verzichten. Aber welches Unternehmen kann das schon von sich behaupten?
Das Fenster schließt sich
Natürlich konnte man mit SEO-Tricks in der Vergangenheit durch die Ausnutzung der temporäre Unzulänglichkeiten von Google gutes Geld verdienen und auch heute funktionieren noch viele Sachen. Daran ist grundsätzlich nichts auszusetzen. Dieses Fenster schließt sich durch Google-Updates wie Panda und Penguin jedoch immer mehr und man darf nicht den Fehler begehen, zu glauben, dass es diese Möglichkeiten weiterhin dauerhaft in einem nennenswerten Umfang geben wird. Ein langfristiges Geschäftsmodel kann man darauf nicht aufbauen.
Von der Absatzwirtschaft zum Marketing
In den 50er Jahren wurde das Marketing in Deutschland „Absatzwirtschaft“ genannt. Nach dem 2. Weltkrieg war die Nachfrage nach Produkten größer als das Angebot. Die Hauptaufgabe der Unternehmen bestanden in der der Produktion und Distribution. Wurden diese Herausforderungen gemeistert, verkauften sich die Produkte von alleine. Diese Phase ist mit den ersten SEO-Jahren vergleichbar. Es ging vielfach darum möglichst viele Inhaltsseiten zu erstellen (Produktion), für Suchmaschinen zu optimieren und Links auf die eigene Website im Netzt zu verteilen (Distribution). Diese Phase brachte Scraper-Seiten und Contentfarmen hervor.
In den 60er Jahren wurde die Nachfrage immer mehr zum Engpass und die Unternehmen fingen an sich konsequent an den Verbraucherbedürfnissen zu orientieren, um Kunden für ihre Produkte zu finden. Dies war die eigentliche Geburtsstunde des Marketings. Im Mittelpunkt standen die Instrumente des Marketing-Mix. Produkte, die sich am besten an den Verbraucherbedürfnissen orientierten, verdrängten im Markt die anderen Produkte. Übertragen auf die SEO-Branche befinden wir uns vielleicht seit 1–2 Jahren in dieser Phase und es wird jetzt von Content-Marketing gesprochen.
Das Marketing entwickelte sich dann in den 90er Jahren zur ganzheitlichen Interpretation des Marketings als marktorientiertes Führungskonzept. Im Sinne eines gelebten Unternehmenswertes hat jede Handlung eines Unternehmens Auswirkungen auf den Markterfolg. Diese Entwicklung werden wir irgendwann dann hoffentlich auch im SEO-Bereich sehen. Ob wir dafür eine neuen Namen brauchen, wird sich zeigen.
Die Fähigkeiten guten Content barrierefrei für Suchmaschinen aufzubereiten, wird auch in Zukunft gebraucht werden. Unternehmen, die das beherrschen, haben weiterhin einen Wettbewerbsvorteil. Diese Fähigkeit alleine reicht jedoch langfristig nicht aus. Man muss auch in der Lage sein, die Nutzerbedürfnissen möglichst gut zu befriedigen. Guter Content ist ein wichtiger Baustein davon. Es geht aber noch weit darüber hinaus.