Der Absturz von Examine.com – oder: darf Google eine Meinung haben?

Domains aus dem Gesundheitsbereich waren von den letzten Core-Updates häufig betroffen. Jetzt hat es mit Examine.com auch eine Domain getroffen, die augenscheinlich alles richtig macht. Scheitert Google an seinen neuen, hohen Ansprüchen?

Kamal Patel, Ernährungsforscher und einer der Gründer von Examine.com, hat mit seinem Beitrag “Why has Examine.com disappeared from search results?” eine interessante Diskussion zum Umgang von Google mit Inhalten aus sensiblen Bereichen angestoßen.

Examine.com wurde 2011 von Sol Orwell, Kurtis Frank und Kamal Patel gegründet. Ziel war es, Nahrungsergänzungs- und Ernährungswissen auf Basis von belegbaren wissenschaftlichen Studien zusammenzufassen. Die Rankings der Domain waren in der Vergangenheit immer wieder von den großen Google-Updates betroffen, hier am Beispiel der Sichtbarkeit in UK:

Vor einigen Tagen gab es einen erneuten starken Verlust an Sichtbarkeit in den Google Suchtreffern. Schaut man sich die täglichen Sichtbarkeitsdaten in der Toolbox an, ist die Domain mittlerweile (fast) nicht mehr in den SERPs zu finden:

Auf Basis der Rankingverteilung wird deutlich, dass von den wenigen Keywords, für die Examine.com noch rankt, fast kein Keyword auf der relevanten ersten Google-Ergebnisseite zu finden ist. Kamal Patel bestätigt diese Entwicklung mit Daten aus Google Analytics: seit einigen Tagen liegt der Graph nur knapp über der Null-Linie:

Google-Traffic auf Examine.com

Examine.com, der Musterschüler

Was ist passiert? Oberflächlich betrachtet, fällt Examine.com schnell in das Muster vieler betroffener Domains aus dem Gesundheitsbereich: geht es doch um Ernährung und Nahrungsergänzungsmittel – ein Thema, das unseriöse Anbieter traditionell anzieht und gerade im Internet nur wenig reguliert ist.

Doch stellt sich die Realität in diesem Fall etwas anders dar: Examine.com erfüllt alle Anforderungen, die Google in den Quality Rater Guidelines an Seiten aus dem Bereich “Your Money, Your Life” (YMYL) stellt und übertrifft diese häufig noch:

  • Artikel werden rein auf evidenzbasierter, wissenschaftlicher Grundlage verfasst
  • Quellen werden genannt und verlinkt
  • Die Inhalte werden von Experten verfasst

Examine.com ist in diesem sensiblen Bereich ein Musterschüler – und wird trotzdem mit Seiten wie Zentrum-der-Gesundheit.de, die sich durch Sätze wie “wissenschaftliche Belege sind daher nicht der ultimative Beweis für die Wirksamkeit einer Massnahme” hervortun, in einen Ranking-Topf geworfen.

Wie Kamal Patel richtig vermutet, ist Examine.com dabei in das Kreuzfeuer einer neuen Herangehensweise von Google geraten.

Google in der Zwickmühle

Lange hat Google die Suche als technische Lösung betrachtet und jede Bewertung oder Einordnung der Inhalte selbst unterlassen. Angezeigt wurden die Treffer, deren Ranking-Signale für ein gutes Ranking sprachen – auch wenn das im Falle von „miserable failure“ die Biographie eines US-Präsidenten war. Auch politisch gefährliche Klippen wie eine Personalisierung der Suchergebnisse hat Google geschickt umschifft.

Doch ist Google mittlerweile mehr als eine Suchmaschine. Da Nutzer nur auf den SERPs wertvolle Werbeklicks erbringen, bemüht sich Google, Nutzer länger im eigenen Netzwerk zu halten. Während das zu Beginn nur einfache und objektiv nachprüfbare Suchen wie das aktuelle Wetter oder Börsenkurse betraf, ist Google mittlerweile auf dem Weg zu der einen Antwort auf viele Nutzerfragen (mehr zu dem Thema in diesem Blogpost).

Google hat gute Absichten

Auf der einen Seite hat Google gute Absichten. In den Quality Rater Guidelines wird gerade für sensiblen Bereiche, bei denen es um die Gesundheit oder das Geld der Nutzer geht, hervorgehoben, wie wichtig die inhaltliche Qualität und objektiv nachweisbare Korrektheit der Inhalte ist. Google tritt dabei für die richtigen Ideale ein: wissenschaftlich nachweisbar, transparent, objektiv richtig. Auch erkennt Google seine Verantwortung gegenüber den Nutzern an.

Eine (fast) unlösbare Aufgabe

Auf der anderen Seite besteht aber doch die Gefahr, dass sich Google an dieser Aufgabe verhebt. Eine binäre richtig/falsch Einordnung von Inhalten ist (fast) unlösbar. An den erratischen Sichtbarkeitsverläufen vieler Domains aus dem Gesundheitsbereich erkennt man, wie unsicher der Algorithmus bei dieser Aufgabe ist. Auch stellt sich die Frage, ob eine Falscheinordnung wie im Beispiel von Examine.com nicht mehr Schaden anrichtet als andersrum?

Fazit

Google hat künftig eine Meinung zu Inhalten. Waren bislang die Gesetze des jeweiligen Landes der Rahmen für erlaubte Inhalte in den SERPs, zieht die Suchmaschine diese Grenzen künftig enger. Das ist oft nachvollziehbar und theoretisch auch richtig, birgt aber doch große Gefahren – nicht nur für Suchmaschinenoptimierer, sondern auch für Google.

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