Der Roll-out des Helpful Content Update ist seit Freitag, den 09.09.2022 offiziell beendet und ich glaube, es ist wichtig, das Update, unsere anfänglichen Vermutungen, aber auch uns als SEO Branche zu reflektieren.
SEOs wie z.B. Lily Ray, Glenn Gabe, Marie Haynes oder Johannes Beus von SISTRIX haben einen großartigen Job bei Twitter und ihren Blogs gemacht, die Ankündigungen seitens Google zu interpretieren und die Geschehnisse aufzuarbeiten.
Mit Blick auf die großen Erwartungen, die das Update nach der Ankündigung von Google geweckt hat, war es eher eine Ernüchterung. Es gab einige Website-Kategorien wie Klingeltöne-, Coding- und Lyrics-Seiten, bei denen Vermutungen für den Einfluss des Updates abzuleiten sind. Aber der große Aufschlag in der Breite ist ausgeblieben und verglichen mit anderen Updates waren die Auswirkungen in der Breite verhältnismäßig klein.
Kritische Reflektion und Abgleich zwischen den Theorien und Praxis
Als erstes macht eine Rückbetrachtung der Interpretationen und Erwartungen, die man aus Googles Ankündigung ableiten konnte, und den schlussendlichen Ergebnissen Sinn. Hier die Kernaussagen aus der Ankündigung von Google sowie meine eigenen Theorien, die weitestgehend einvernehmend daraus abgeleitet wurden:
- Fokus auf “people first”-Content
- Das Update war ein “sitewide”-Update, das sich nicht nur auf einzelne Inhalte, sondern auf Inhalte ganzer Websites auswirken sollte.
- Der wiederkehrende Hinweis auf die Expertise lässt vermuten, dass es auch ein Update mit E-A-T werden sollte.
- Die Vermutung lag nahe, dass Google auch darauf abzielen wollte, automatisierten Content abzuwerten, was eine Antwort auf die zu erwartende Flut an AI-Content wäre.
Zu Punkt 2: Wenn man die starken Sichtbarkeitsverluste bei den wenigen vermeintlich negativ vom Update betroffenen Domains betrachtet, kann man von einer Websiteweiten Abstrafung ausgehen.
Zu Punkt 3: Spielt bei Klingeltönen und Lyrics Expertise eine große Rolle? Ich denke nicht! Bei den Coding-Seiten ging es laut den Analysen der geschätzten Kollegen auch eher um kopierte Inhalte, also Duplicate Content und im Fokus nicht um fehlende Expertise.
Zu Punkt 4: Nutzt man AI-Tools zur Textgenerierung bei Themen wie Klingeltönen, Coding oder Lyrics? Auch das macht nicht wirklich Sinn.
Zusammenfassend sind viele der Vermutungen, aber auch Angaben von Google selbst bis heute nicht zu beobachten gewesen.
Laut Danny Sullivan könnte noch etwas in Verbindung mit weiteren Updates nachkommen.
Es wäre daher theoretisch noch ein weiteres Szenario möglich.
Das Update ist ähnlich wie Hummingbird ein so grundlegendes Update der Ranking-Algorithmen, dass die Effekte erst über einen langen Zeitraum, ggf. sogar über Jahre, zu sehen sind.
Dem jetzigen Stand nach zu urteilen ist aber nicht wirklich viel passiert, was eine andere Vermutung ins Spiel bringt.
Direkt nach dem Helpful Content Update rollt Google ein zweiwöchiges Core Update aus. Im Gegensatz zum HCU gibt es Google-typisch keine Infos zu diesem Update. Ich glaube nicht, dass das Zufall ist. Keine große Erklärung, kein Outreach …
Dazu zwei Theorien:
- Google ist nicht zufrieden mit den Ergebnissen des Helpful Content Updates und möchte an weiteren Stellschrauben drehen, die wie von Danny Sullivan erwähnt in Kombination erst die volle Wirkung des Helpful Content Updates entfalten.
- Google möchte die aufkommende Kritik, am geringen Einfluss sowie an der Kommunikation rund um das Helpful Content Update beruhigen und den Fokus in eine andere Richtung steuern.
Das Helpful Content Update war eine sehr gut durchgeführte PR-Kampagne
Wie auch immer die bisherigen und zukünftigen Einflüsse aus dem Helpful Content Update zu bewerten sind, eins muss man festhalten: Die Kommunikation rund um das Update war ein Musterbeispiel für eine gut geplante und durchgeführte PR-Kampagne.
Zuerst fragt man sich: Warum braucht ein Unternehmen wie Google überhaupt PR?
Google hat wie fast jedes Unternehmen Kommunikationsziele, die durch Marketing und PR verfolgt werden. Search ist das wichtigste Produkt für Google und deswegen ist es logisch, dass für dieses Produkt PR gemacht wird.
Folgende Aspekte sprechen dafür, dass es sich auch beim Helpful Content Update um eine professionell angelegte Produkt-PR-Kampagne handelt:
- Der Titel des Updates ist ähnlich wie beim Page Experience- oder Mobile Friendliness Update, aber anders als bei z.B. Hummingbird, Panda oder Pinguin, für sich selbst sprechend. Der Titel des Updates beschreibt konkret, um was es geht und funktioniert PR-mäßig besser als ein nichtssagender Titel. Das führt dazu, dass in fast jeder Meldung die implizite Hauptbotschaft “Die Google Suche wird noch hilfreicher” mittransportiert wird.
- Das Update wurde vorher von Google groß angekündigt. Meistens werden Updates von Google gar nicht oder erst mit oder nach dem Roll-out kommuniziert. Für PR-Kampagnen zu Produkt-(Re-)Launches bedarf es aber immer einen Vorlauf.
- Reichweitenstarke und einflussreiche SEOs wurden exklusiv vor der offiziellen Ankündigung informiert. Beim PR-Outreach ist das häufig eine erfolgreiche Methode, um einflussreiche Medien und Influencer dazu zu motivieren, über etwas zu berichten.
- Google gab ziemlich konkrete Empfehlungen zu dem Update, was Webmaster tun sollen. Das war bei den meisten bisherigen Updates außer z.B. Pinguin oder dem Page Experience-Update nicht der Fall. Das zeigt, dass diese vermeintliche PR-Kampagne auch an eine zweite wichtige Zielgruppe neben der SEO-Branche gerichtet war: den Website-Betreibern.
Das Helpful Content-Update war über 2 Wochen im Hauptfokus der SEO-Branche und von Medien darüber hinaus. Hunderttausende Artikel, Meldungen und unzählbare Social Media Postings haben die Nachricht in die Welt getragen, dass die Google-Suche hilfreicher wird.
Die Medien-Abdeckung zeigt, dass das Update ein großer PR-Erfolg für Google ist. So findet man über 180.000 Inhalte in der Google-Suche, die sich mit dem Update beschäftigen. Davon 18.900 Meldungen in Google News weltweit.
Die Auswirkungen davon sind in Google Trends nachzuvollziehen:
Diese Muster, die auf eine professionell angelegte PR-Kampagne hindeuten, in Kombination mit den überschaubaren Auswirkungen auf die Google-Suche sprechen für diese Vermutung.
Zwei Ziele hat Google mit dieser PR-Kampagne verfolgt:
- Google wollte die Botschaft “Die Google Suche ist jetzt noch hilfreicher” in die Welt tragen.
- Google wollte Webmaster, Publisher und SEOs dazu bringen, weniger Müll zu produzieren, den Google dann crawlen muss. Google steht der Herausforderung gegenüber, die eigenen Ressourcen für Crawling und Indexierung so effizient wie möglich zu gestalten. Wenn auf der anderen Seite u.a. durch die AI-Revolution bei der Content-Produktion immer mehr Müll ins Internet gespült wird, kommt Google hier nur schwer hinterher.
Fazit für die SEO-Branche
Das Google Helpful Content Update ist ein Musterbeispiel für eine professionell durchgeführte Produkt-PR-Kampagne, bei der man sich einiges abgucken kann.
Für uns SEOs und die Branche bleibt die Erkenntnis, dass wir für Google wichtige Stakeholder für die Verbreitung von deren Unternehmens-Botschaften sind. Hier zeigt Google in den letzten Jahren eine Veränderung in der PR und Kommunikation und sucht die Nähe zu einflussreichen Persönlichkeiten aus der SEO-Branche. Während die SEOs früher lästig waren, weil sie die Suchergebnisse manipulieren wollen, sieht Google heutzutage die SEO-Branche als verlängertes Sprachrohr und Multiplikator.
Ähnlich sieht das auch der SEO-Kollege Brodie Clark:
Ich will hier nicht behaupten, dass Google falsche Informationen publiziert, aber natürlich verfolgen sie eine eigene Agenda, die darauf ausgerichtet ist, die eigenen Produkte im guten Licht darzustellen. Und das Engagement uns SEOs und die Branchen-Medien in die Kommunikation einzubeziehen verfolgt immer einen Selbstzweck.
Ich war selbst begeistert von Googles Ankündigung zum Helpful Content-Updates und habe dazu sofort publiziert und das Update mit großen Erwartungen verknüpft. Aber mehr und mehr wich meine Begeisterung der ernüchternden Erkenntnis, dass hier auch viel PR im Spiel war.
Dem sollte sich die SEO-Branche bewusst sein und kritisch mit den Meldungen aus dem Hause Google umgehen und bei der nächsten großen Vorab-Ankündigung eines Updates, die emotionale Begeisterung in die Balance mit rationalem Denken setzen.