Suchmaschinenoptimierung ist seit jeher ein Bereich, in dem gesicherte Erkenntnisse Mangelware sind. Zwar gibt es eine Reihe von Aussagen, auf die sich die meisten in der Branche einigen können, weite Teile unterliegen aber persönlicher Einschätzung und Abwägung. Viel Raum also für Spekulationen – und genau dazu möchte ich etwas schreiben. Viele werfen Google vor, absichtlich für Verwirrung und Unsicherheit zu sorgen. Ich glaube, dass es vielmehr Blogs, Foren und Firmen sind, die (falsche) Gerüchte in die Welt setzen – sei es aus Unwissen oder Interesse an bestimmten Entwicklungen. Seit ein paar Tagen geht so ein Fall mal wieder durch Blogs und Medien:
NTT Europe, ein euroweiter Anbieter von Hostinglösungen, hat untersuchen lassen, in wieweit lokales Hosting Einfluss auf das Google-Ranking hat. Das Experiment bestand darin, dass man 25 Suchbegriffe durch Benutzer aus dem jeweiligen Land bei Google hat eingeben lassen. Einmal wurde die Google-Standardsuche gewählt, einmal die Auswahl „Seiten aus Deutschland“. Bei den ersten fünf Treffern wurde dann nachgesehen, in welchem Land die Seiten gehostet werden. Der geneigte Leser mag es bereits ahnen, das Ergebnis war, dass Google bei der Suche nach „Seiten aus Deutschland“ in der Regel Seiten findet, die in Deutschland liegen. Da diese Aussage, selbst wenn in wolkige Werbesprache verpackt, doch nicht so überraschend ist, musste man sich noch etwas einfallen lassen und ist auf die Aussage von Hitwise gestoßen, dass zwischen 14 und 30 Prozent der Googlenutzer dieses „Seiten aus LandXY“-Feature ab und an mal nutzen. Und fertig war die Feststellung, dass man bis zu 30 Prozent des Traffics verlieren könne, wenn kein Hosting im jeweiligen Zielland genutzt werde. Als würden die unzulässigen Verallgemeinerungen und Logiksprünge nicht schon ausreichen, hat NTT Europe für die Überschrift der Pressemitteilung die Geschichte einfach mal umgedreht sowie weiter verallgemeinert und behauptet: „NTT Europe Online: Lokales Hosting verbessert Google-Ranking um 30 Prozent“.
Diese Aussage steht so jetzt erstmal im Raum. Die Arbeit, die genaue Vorgehensweise sowie Überlegungen, die zu dieser Aussage führten zu hinterfragen, macht sich in der Regel niemand. So kommt es, dass zahlreiche Blogs die Pressemittelung unreflektiert online stellen und damit dafür sorgen, dass der Unsinn langsam ins „SEO-Allgemeinwissen“ einfließt. Etwas erstaunt war ich dann heute Morgen, als ich gesehen habe, dass und wie sich das Handelsblatt dem Thema annimmt. Weiter verkürzt und verallgemeinert muss ich da unter der Überschrift „Serverstandort bestimmt Google-Ranking“ lesen, dass „die Relevanz einer Webseite bei Google […] durch den so genannten Page-Rank bestimmt“ werde und eine lokale Länderdomain „nachweislich eine positive Auswirkung auf die Resultate der Suche in Google“ habe. Was für ein ausgemachter Unsinn! Da werden weite Teile eine Pressemeldung 1:1 durch einen Journalisten übernommen, Ungenauigkeiten sowie Unwahrheiten verstärkt und hinzugefügt und das ganze zu einem Text verquirlt, der dem Anspruch einer seriösen Wirtschaftszeitung nicht gerecht werden kann.
Nicht, dass ich falsch verstanden werde: ich freue mich über jeden Beitrag, der sich Gedanken zu Funktionsweisen und Mechanismen bei Google macht. Tests und Analysen sind die Grundlage einer soliden SEO-Arbeit. Aber in einer Branche, in der soviel Unsicherheit herrscht, sind Behauptungen, wie sie von NTT Europe aufgestellt wurden, extrem kontraproduktiv. Ich wünsche mir von Bloggern und Forenschreibern, dass solche Aussagen etwas intensiver hinterfragt werden – von Journalisten erwarte ich das einfach.