Üblicherweise funktionieren SEO-Trends zum Jahreswechsel nach einem einfachen Schema: es werden nach dem Schrotflintenprinzip zehn Vorhersagen abgegeben und wenn auch nur 5 davon halbwegs zutreffen, gilt der Beitrag in der Rückschau als Erfolg.
Ich möchte es heute, zum Jahresanfang etwas anders versuchen: es gibt nur eine Prognose und ich bin mir sehr sicher, dass sie auch zutrifft. Denn auch 2020 wird Google die Websuche nicht neu erfinden, sondern bereits eingeschlagene Entwicklungen fortschreiben und intensivieren.
Das kommende Jahr wird für viele Branchen im Zeichen des steigenden Wettbewerbs durch Google selbst stehen. Waren es in den letzten Jahren hauptsächlich Wettbewerber aus der eigenen Branche, die einem die Rankings streitig gemacht haben, steigt nun immer deutlicher Google in den Ring – mit dem kleinen aber unfairen Vorteil, dass Google in den SERPs das Hausrecht genießt.
Googles Mission: 10 blaue Links?
Google ist in seiner Mission, also der prägnanten Zusammenfassung der eigenen Aufgabe als Firma, sehr klar: “Die Informationen dieser Welt organisieren und allgemein zugänglich und nutzbar machen”. War der Werkzeug der Wahl lange Jahre die Auslieferung der zehn relevantesten Webtreffer zu einer Suche (“10 blaue Links”), hat sich die beste Zugänglichmachung von Informationen aus Googles Sicht in den letzten Jahren in vielen Bereichen grundsätzlich geändert: Suchen mit dem Userintent “Visit” werden durch eine Integration des Google Maps-Produktes beantwortet, für Flugsuchen gibt es das Google Flugvergleichs-Produkt, Videos finden sich oft auf Google YouTube und so weiter und so fort. Allein der Deutschland-Start von Google for Jobs und die Ausspielung der neuen Event-Integration in diesem Jahr haben uns allen sehr deutlich gezeigt, wem die SERPs gehören.
Die SERPs gehören Google
Für uns SEOs fühlt sich jedes neue Google-Produkte in den SERPs wie eine Enteignung an. Sichtbarkeit, Aufmerksamkeit und schlussendlich auch Besucher, die bislang nach mühevoller, oft jahrelanger Arbeit auf unseren eigenen Seiten gelandet sind, bleiben nun im Google-Ökosystem. Und auch, wenn diese Perspektive nachvollziehbar ist, ist sie falsch: die SERPs gehören Google und es gibt kein Anrecht auf Rankings und Besucher. So frustrierend der Verlust von als sicher geglaubten Besuchern aus der Websuche auch sein mag, es gibt keinen Anspruch auf diese Nutzer. Und nur, weil es viele Jahre so funktioniert hat, kann (und wird) Google die Spielregeln über Nacht ändern.
Google optimiert für seine Kunden, die Nutzer
Um weiterhin auf Erfolgskurs zu bleiben, muss Google Weltmarktführer sein. Auch, wenn es sich für alle, die jeden Monat viel, viel Geld an Google überweisen, nicht ganz so anfühlt, so ist für Google klar, wer Kunde ist: der Nutzer. Ähnlich wie andere erfolgreiche Marktplätze (Amazon zum Beispiel) optimiert Google auf maximale Nachfrage. Das führt dazu, dass die Anbieter zwingend folgen müssen – ob sie wollen, oder nicht. Aus Mangel an Alternativen können marktführende Plattformen wie Google die Spielregeln diktieren. Und schlaue Auktionsmodelle regeln dann den Rest: als Marktplatzbetreiber wird Google immer den besten Preis erhalten.
Die Luft für Aggregatoren wird 2020 dünner
Allein die Rückschau auf die letzten 12 Monate zeigt Googles Weg überdeutlich: mit Google for Jobs hat Google einen eigenen Stellenanzeigen-Aggregator in Deutschland gestartet, die Rezeptsuche wurde deutlich ausgebaut und viel präsenter in die SERPs gehoben, vor wenigen Wochen ist die neue Event-Integration in den SERPs online gegangen, die Hotelsuche wurde überarbeitet und ausgeweitet – und das waren nur die auffälligsten Änderungen im letzten Jahr. Wir müssen davon ausgehen, dass sich diese Entwicklung im vor uns liegenden Jahr mindestens fortschreibt, wahrscheinlich aber sogar noch beschleunigt. Google wird die bestehenden Integrationen ausbauen und verbessern und neue, vertikale Märkte angehen.
Dass wir SEOs dabei noch meistens auf die Desktop-Version der Suchergebnisse schauen, während schon deutlich mehr als die Hälfter aller Suchen auf dem Smartphone stattfinden, verschleiert die gravierenden Änderungen dabei nur. Auf den großen Desktop-Monitoren sind die neuen Google-Elemente nicht ansatzweise so präsent, wie auf dem Smartphone. Auf dem Handy muss man oft erst einige Seiten scrollen, bis die ersten organischen Ergebnisse zu sehen sind.
Webseitenbetreiber im Gefangenendilemma
Das klassische Gefangenendilemma aus der Spieltheorie: halten zwei Gefangene zusammen und leugnen die Tat, kommen beide halbwegs glimpflich davon. Sagt einer der beiden jedoch aus, geht er aus Kronzeuge straffrei aus, während der andere Gefangene die Höchststrafe erhält. So ähnlich stellt sich die Zusammenarbeit mit Google bei der Bereitstellung von strukturierten Daten derzeit da – mit dem kleinen Unterschied, dass der Kollaborateur ebenfalls die Höchststrafe erhält, jedoch erst mit einigen Jahren zeitlicher Verzögerung.
Für viele der eigenen Aggregatoren und vertikalen Integrationen benötigt Google strukturierte Daten. Erst auf Basis dieser strukturierten Daten sind die Boxen erst möglich. Deutlich wird das zum Beispiel bei den neuen Rezept-Integrationen, die auf dem Schema.org Recipe-Type basieren sowie der Job-Suche, die auf dem JobPosting-Markup basiert. Aber auch hier gibt es Alternativen: sind einzelne Firmen im Besitz der benötigten Informationen, übernimmt Google die Firma und überführt die Daten in das eigene Produkt – wie beispielsweise bei der Flugsuche geschehen.
Der Kanal SEO im Wandel
Es wird nicht lange dauern, bis die ersten Untergangspropheten das Ende von SEO beschwören – doch das ist Unsinn. Google SEO wird auch in diesem Jahrzehnt der relevanteste Traffic-Kanal für die meisten Webseiten bleiben. Aber SEO ändert sich. Jeder Webseitenbetreiber wird sich die Frage stellen müssen: braucht Google deine Webseite? Und Strategie, Inhalte und Mehrwert entsprechend erarbeiten. SEO wird schwieriger, anspruchsvoller, komplexer und vielleicht manchmal auch ungerechter aber Nutzer sind weiterhin auf der Suche nach dem ersten Ergebnis zu ihren Fragen.