2022 steht vor der Tür. Wie auch bei den letzten Jahreswechseln steht uns keine Revolution bevor, aber eine stetige, zügige Evolution. Drei Thesen und viele Meinungen zu aktuellen SEO-Trends findest du in diesem Blogbeitrag.
Ich bin kein Freund von Jahresrückblicken schon Ende Oktober und SEO-Trends für das nächste Jahr im November. Das Jahr ist vorbei, wenn der 31.12. auf dem Kalender steht – und wie es der Zufall so will, ist das heute.
Im ersten Teil des Blogbeitrags habe ich drei große Themen mitgebracht, die uns im nächsten Jahr beschäftigen werden. Im zweiten Teil dann eine kurze Einschätzung zu einer Reihe aktueller SEO-Trends. Viel Spaß!
Google nimmt sich Sichtbarkeit
Die Suchergebnisse gehören Google. Was sich so einfach liest, hat gravierende Auswirkungen: es gibt kein Anrecht auf zehn organische Treffer. Googles Mission ist es, “die Informationen dieser Welt organisieren und allgemein zugänglich und nutzbar machen”. Organische Treffer waren dabei nur ein Mittel zum Zweck – und Google wird zunehmend auf alternative Mittel zurückgreifen.
Die Zukunft kann man schon heute auf dem Handy sehen: alle wichtigen SERP-Features der letzten Jahren wurden zuerst in den mobilen SERPs ausgespielt um dann erst später, mit teils langer Verzögerung auch in den Desktop-Suchergebnissen zu landen. Und die Zukunft verheißt nichts Gutes, wie man hier am Vergleich der Desktop- mit der Mobile-Sichtbarkeit von Wikipedia.org in Deutschland sieht:
Während die Desktop-Sichtbarkeit in den letzten Jahren nahezu konstant geblieben ist, sank die Mobile-Sichtbarkeit von Wikipedia.org von gut 7.000 auf nur noch 5.500 Punkte. Dabei sind die Inhalte von Wikipedia für Google wichtiger denn je. Wie es dazu kam? Hier zwei beispielhafte SERPs:
Auf der linken Seite ein “klassisches” Featured-Snippet mit Inhalten aus der Seite und einer recht großen und deutliche Attribution der Quelle. Rechts daneben eine aktuelle Version des Knowledge Panels: fast identischer Aufbau aber eine deutlich kleinere und weniger klickstarke Attribution der Quelle (hier Wikipedia). Der linke Treffer ist ein organischer Treffer, der rechte Treffer gehört Google.
Wir werden damit leben müssen, dass Google den Anteil der Knowledge Panels erhöht und Nutzer damit im Google-Ökosystem behält. In Folge wird “In SERP SEO” in den nächsten Jahren wichtiger: nicht mehr der Klick, sondern Aufmerksamkeit für eine Marke in den Suchergebnissen wird an Relevanz gewinnen.
Wettbewerbsbehörden vs. Plattformen
Nach jahrelangem Tiefschlaf sind zuerst die Wettbewerbsbehörden in der Europäischen Union und zuletzt auch in den USA aufgewacht: zahlreiche Untersuchungen, Anhörungen, Marktfeedbacks haben gezeigt, dass ein Fokus der Marktregulierer gerade auf den großen Plattformen (Google, Amazon, Facebook) liegt.
Gegen Google laufen in der EU drei Verfahren (Shopping, Android & AdSense) und das Verhalten von Google im Adtech-Bereich wird ebenfalls untersucht. Amazon wirft die EU-Wettbewerbsbehörde vor, Daten von Marketplace-Anbietern genutzt zu haben, um den Verkauf eigener Produkte zu verbessern. Facebook werden (neben den negativen, soziale Folgen der Nutzung) ähnliche Wettbewerbsvergehen wie Amazon vorgeworfen.
Nachdem die Relevanz der Plattformen während der Corona-Pandemie noch einmal deutlich gestiegen ist, werden wir im kommenden Jahr weitere, relevante Verfahren sehen. Am Ende hängt es aber am politischen Willen, ob und mit welchen Mitteln gegen potentiellen Marktmissbrauch der Plattformen vorgegangen wird.
Amazon gewinnt weitere Marktanteile
Keine Frage: Amazon steht vor einem großen Berg an Problemen. Unechte Produkt-Bewertungen, Produkt- und Markenpiraterie, massenweise umgelabelte China-Produkte sind nur einige der offensichtlichen Baustellen.
Doch am Ende geht es um das Gesamterlebnis für den Kunden. Und dabei wird auch im nächsten Jahr kein Wettbewerber Amazon das Wasser reichen können. Durch weitreichende, vertikale Integration kann Amazon eine Zuverlässigkeit bieten, die so kein Wettbewerber zu liefern vermag.
Eine eigene Frachtfluglinie, eigene Containerabmessungen, eigene Logistik- und Verteilzentren, eigene Auslieferungsfahrer mit einer eigenen Flotte – Amazon kontrolliert die komplette Logistikkette und wird damit im kommenden Jahr weitere E-Commerce-Marktanteile gewinnen.
Einschätzungen zu aktuellen SEO-Trends
Ein “wir machen nächstes Jahr genau das gleiche wie dieses Jahr” ist in der Kommunikation für SEO-Agenturen und Freelancer eher schwierig. Kunden erwarten Trends, Entwicklungen und neue, heiße Themen. Daher gibt es immer wieder aktuelle SEO-Trends. Hier jeweils meine kurze Einschätzung:
- Voice Search: wird auch 2022 keinen großen Durchbruch haben. Das Problem ist nicht die Übermittlung der Suche (ob man das Keyword jetzt spricht oder eintippt, macht keinen großen Unterschied), sondern die Übermittlung der Ergebnisse. Dafür ist Sprache einfach viel zu langsam und hat zu wenig Struktur. Voice wächst, aber in der Regel für Fälle, die kein klassisches “Search” sind.
- Künstliche Intelligenz (BERT, MUM, etc): für Google ist maschinelles Lernen (ML) ganz klar die Zukunft. Das hat die diesjährige Search On-Konferenz eindeutig gezeigt. Google wird zunehmend Zusammenhänge herstellen können und Fragen selber beantworten. Webseitenbetreibern bleibt da nicht viel mehr als zuzusehen und sich den geänderten Umständen anzupassen.
- Core Web Vitals: wer im letzten Jahr mit SEO angefangen hat, hätte vermuten können, dass Google Core Web Vitals der wichtigste Ranking-Faktor sind. Am Ende konnten wir wenige Prozent Unterschied zwischen den schnellsten und langsamsten Webseiten messen. Webseitenperformance ist (nicht nur aus SEO-Gründen) wichtig, rangiert im Stellenwert aber weiter deutlich hinter einer sauberen Konzeption, hilfreichen Inhalten und externer Verifizierung durch Links, Nennungen und Brandsuchen.
- Video: da Internetvideo und YouTube nahezu synonyme zu verwenden sind und Zweiteres wie durch einen Zufall Google gehört, können wir davon ausgehen, dass auch in den Suchergebnissen auf der Trendwelle zu mehr Videocontent geritten wird. Automatische Kapitelmarken und ein tieferes Verständnis der Videoinhalte haben wir dieses Jahr schon gesehen.
- AMP: das Thema hat Google zum Glück in diesem Jahr beerdigt. Konstanter Gegenwind aus dem Markt und das gesteigerte Interesse der Regulierungsbehörden am Verhalten von Google dürften geholfen haben. Es gibt heute keinen Grund mehr, AMP einzusetzen und viele Publisher werden sich den Zusatzaufwand künftig sparen. Hoffen wir mal, dass Google uns die nächsten Jahre mit proprietären Technologien verschont.
- Technisches SEO: seit Google den Googlebot auf eine Headless-Version des Chrome-Browsers umgestellt hat, gibt es für die allermeisten Webseiten keine Crawlingprobleme mehr. Was in Chrome angezeigt wird, kann auch von Google durchsucht werden. Die relative Relevanz von technischem SEO nimmt daher (abgesehen von Sonderfällen) weiter ab.
- Local SEO: eines der großen Wachstumsfelder für Google. Das verheißt leider nichts Gutes für organische Sichtbarkeit im Rahmen von Google Maps. Meine Vermutung ist, dass Google nur darauf wartet, dass die Pandemie einem Ende entgegen geht, die Nachfragen nach “echten” Geschäften und Orten wieder steigen um die Vermarktung der Plattform zu intensivieren.
In diesem Sinne: einen guten Rutsch und tollen Start in das nächste Jahr. Es bleibt spannend.